Hat der Sturm die Pläne der Jünger durchkreuzt?

Hat der Sturm die Pläne der Jünger durchkreuzt?

Frage: Beim Vorbereiten von Johannes 6,16-21 ist mir aufgefallen:
Jesus schickte die Jünger nach Betsaida (Markus 6,45)
Das Ziel der Jünger war aber Kapernaum (Johannes 6,17).
Tatsächlich angekommen sind sie im Land Genezareth (Markus 6,53)
Hat der Sturm ihre Pläne durchkreuzt?
Interessant ist auch, dass Johannes 6,21 sagt, dass das Boot ”sogleich am Land” war, während Matthäus und Markus schreiben: „als sie hinübergefahren waren, kamen sie in das Land Genezareth und legten an” (Matthäus 14,34; Markus 6,53).
Matthäus berichtet noch über Petrus, der den Herrn bittet, zu ihm über das Wasser gehen zu dürfen, aber aufgrund seines Kleinglaubens zu sinken beginnt (Matthäus 14,28-31). Wie kann man das alles erklären?

Antwort: Das Land Genezareth ist eine Ebene, die an den See Genezareth im Nordwesten angrenzt. Sie ist etwa 2 km breit und 4,5 km lang und reicht fast bis Tell Hum. Sie hat einige Quellen und drei hindurchfließende Flüsse. Die Ebene ist eine gut bewässerte Landschaft und ein Ort großer Fruchtbarkeit. Josephus gibt eine begeisterte Beschreibung von ihr (Israelische Kriege 3,10.8). Da sie nahe bei Kapernaum lag wurde sie zweifellos oft vom Herrn Jesus durchquert und viele seiner Wunder wurden hier gewirkt (Mt 14,34; Mk 6,53).

Das Land Genezareth lag also zwischen Kapernaum und Tiberias. Nach nebenstehender Zeichnung gab es zwei Bethsaida am See Genezareth. Das Bethsaida nordöstlich hieß zur Unterscheidung „Bethsaida-Julias“. Die Karte macht deutlich, dass das zweite, am Westufer gelegene Bethsaida, im Land Genezareth lag. Es ist offensichtlich so, dass sie zunächst nach Kapernaum fuhren, wo sie auch ankamen, denn in Kapernaum hielt der Herr sich auf, wenn er nicht unterwegs war.

Aus Matthäus erfahren wir, dass der Herr die Jünger vor Anbruch des Abends nötigte, die Überfahrt vom Ostufer zu beginnen, denn als es Abend wurde, war ER auf dem Berg um zu beten. Als das Schiff dann mitten auf dem See war, brach der Sturm los. In der vierten Nachwache (3.00–6.00 Uhr) kam dann der Herr zu ihnen. Nachdem Er eingestiegen war, waren sie sogleich am Ufer (Joh 6,21). Bei dieser Gelegenheit ging Petrus dem Herrn auf dem Wasser entgegen.

Die Überfahrt über den See Genezareth ist ein schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Evangelisten diese Begebenheit dargestellt haben. Jeder hatte einen anderen Schwerpunkt. Trotzdem widersprechen sie sich nie, denn jeder der Evangelisten war vom Heiligen Geist inspiriert, weshalb die Bibel fehlerlos ist.

Werner Mücher

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2 thoughts on “Hat der Sturm die Pläne der Jünger durchkreuzt?

  1. Ergänzende Gedanken zur Antwort auf die Frage: Hat der Sturm die Pläne der Jünger durchkreuzt?

    Der Hinweis in der Antwort, dass es zwei Bethsaida gab, ist für das Verständnis der Ortsangaben sehr wichtig. Leider lehnen einige Bibellexiken diesen Gedanken eher ab (Lexikon zur Bibel von Fritz Rienecker und Gerhard Meier) andere gute Lexiken weisen erfreulicherweise auf diese Tatsache ganz klar hin (Concise Bible Dictionary).
    Die Bibel selbst bestätigt die Existenz eines zweiten Ortes mit dem Namen Bethsaida, indem wir lesen, dass die Jünger, als sie an einem Ort genannt Bethsaida waren (Lukas 9,10-17) vom Herrn dazu angewiesen waren nach einem Ort, ebenfalls Bethsaida genannt, überzusetzen (Markus 6,41-45). Wie in der Antwort schon darauf hingewiesen wurde, befanden sie sich in Bethsaida an der NNO-Küste des Sees, das damals auch Bethsaida-Julias hieß, und sie sollten übersetzen nach Bethsaida, welches sich im Land Genezarethbefand , also an der Westküste lag.

    Währendem man das Bethsaida an der NNO-Küste (östlich von Kapernaum) auf nahezu jeder biblischen Karte findet, gibt es wenige Karten, auf welchen auch das zweite Bethsaida, an der Westküste, verzeichnet ist. Ich hatte bisher keine, und bin deshalb dankbar für die Karte, die der Antwort beilag!

    Ergänzend zu der Antwort auf diese Frage, möchte ich gerne den Gedanken der zwei unterschiedlichen Ortsangaben, die als Ziel der Überfahrt angegeben sind (in Markus 6,45 Bethsaida an der Westküste und in Johannes 6,17 Kapernaum), aufgreifen und auf unser Leben anwenden. Um aber den Zusammenhang vor Augen zu haben, zunächst eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse.

    Im Vorfeld war folgendes passiert:

    • Johannes der Täufer wird enthauptet, der Leichnam von seinen Jüngern begraben
    (Matthäus 14,6-12 / Markus 6,21-29 / Lukas 9,7-9 /)

    • Rückkehr der vom Herrn ausgesandten Apostel nach Kapernaum, um dem Herrn Bericht zu erstatten
    (Markus 6,30 / Lukas 9,10)

    • Jesus sucht mit ihnen per Schiff einen besonderen Ort auf
    (Matthäus 14,13 / Markus 6,31-32 / Lukas 9,10)
    der öde Ort lag in der Nähe von Bethsaida, am Nordwestufer des Sees
    (Lukas 9,10). Dort fand das Lehren, das Heilen und am späten Nachmittag die Speisung der 5.000 statt.

    Die einzelnen Details:

    Der Herr fuhr mit den Jüngern (von Kapernaum aus) über den See an einen öden Ort in der Nähe von Bethsaida (Lukas 9,10). Das war keine sehr weite Strecke, sodass etliche Menschen die wenigen Kilometer an Land zu Fuß folgen konnten (Matthäus 14,13). Andere sahen sie, erkannten den Herrn und die Jünger, und liefen von den umliegenden Städten ebenfalls dorthin, wo sie anlegen würden (Markus 6,33). Sie kamen dabei noch vor ihm und den Jüngern an (Markus 6,33). Wahrscheinlich waren aufgrund des nahe bevorstehenden Festes bereits viele Menschen zusammengekommen, um in Kürze gemeinsam nach Jerusalem zu reisen (Johannes 6,4).

    Als Jesus aus dem Schiff stieg, sah er sich deshalb einer sehr große Volksmenge gegenübergestellt (Markus 6,34). Er wurde innerlich bewegt über sie, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben (Markus 6,34). Er stieg auf einen Berg, das Volk folgte ihm, und er wählte einen Platz, wo er sie lehrte und viel Kranke unter ihnen heilte (Lukas 9,11; Matthäus 14,14; Markus 6,34).

    Am späten Nachmittag erfolgte die Speisung der 5.000 plus derjenigen Frauen und Kinder, die ebenfalls anwesend waren (Matthäus 14,15-21; Markus 6,35-40; Lukas 9,12-17; Johannes 6,5-14).

    Nach der Speisung erkannte der Herr, dass sie ihn greifen und wegen der Brotvermehrung zum König machen wollten (Johannes 6,15). Aus diesem Grunde nötigte er seine Jünger in das Schiff zu steigen und zurück nach Bethsaida an der gegenüberliegenden Westküste zu fahren (Matthäus 14,22; Markus 6,45). Die Jünger aber nahmen Kurs auf Kapernaum (Johannes 6,17), vielleicht eine Entscheidung, die sie auf dem Wasser aufgrund der Wetterlage getroffen hatten. Der Herr löste die Versammlung auf und zog sich zum Beten auf den Berg zurück (Matthäus 14,23; Markus 6,46; Johannes 6,15).

    Die Jünger ruderten bei der Rückfahrt gegen den Wind und kamen aufgrund eines starken Windes in Seenot (Matthäus 14,24; Johannes 6,18). Als sie, anstatt wie vom Herrn aufgetragen, von Bethsaida im Nordosten nach Bethsaida im Westen zu rudern, offenbar Kapernaum ansteuerten (Johannes 6,17; wie erwähnt, wahrscheinlich aufgrund der schlechten Wetterlage), und ca. 5 – 6 km gerudert waren (Johannes 6,19), sehen sie Jesus auf dem See wandeln (Matthäus 14,25-27; Markus 6,48-50; Johannes 6,19-20).

    Matthäus berichtet als einziger von dem Versuch des Petrus, ebenfalls auf dem Wasser zu wandeln, nachdem er den Herrn bat ihm auf dem Wasser zu begegnen (Matthäus 14,28-31).

    Sobald Petrus und der Herr wieder auf dem Schiff waren, legte sich der Wind und sie waren angekommen (Matthäus 14,32-33; Markus 6,51; Johannes 6,21).

    Danach lesen wir bei Matthäus und Markus: „Und als sie hinübergefahren waren kamen sie in das Land Genezareth“ (Matthäus 14,34; Markus 6,53).

    Die Fragen, die sich daraus ergeben:

    a) Wie hieß das Ziel ihrer Überfahrt? Kapernaum oder Bethsaida?
    b) Wo waren sie nach der Seenot gelandet? In Kapernaum oder in Bethsaida, das im Lande Genezareth lag?

    Ich beginne mit der Antwort zu Frage b), denn die kann man eigentlich sehr gut dem Text entnehmen. Ich teile die Auffassung, die bereits in der Antwort auf diese Frage erwähnt wurde, nämlich dass sie in Kapernaum ankamen. Da in der Antwort aber keine weiteren Belege dafür angegeben waren, möchte ich diese hier anführen:

    1) Die Angabe der 25-30 geruderten Stadien (1 Stadie ist ca. 190 Meter), läst eher vermuten, dass sie in Kapernaum an Land gingen, das ebenfalls noch in der Ebene Genezareth liegt, denn 25-30 Stadien ist ungefähr die Strecke zwischen Bethsaida im Nordosten und Kapernaum, und Johannes sagt, dass sie nach dieser Strecke den Herrn auf dem Wasser wandeln sahen, und danach (alsbald) angekommen waren (Johannes 6,21).

    2) Die Volksmenge, die den Herrn nicht wegfahren sah, suchte ihn am nächsten Tage und fand ihn jenseits des Ufers, wo er mit den Jüngern anlegte. Der Hinweis, dass sie „in Kapernaum“ gesucht hatten (Johannes 6,22-25) und an diesem jenseitigen Ufer fündig wurden, legt nahe, dass das Schiff dort angelegt hat.

    3) Als die Volksmenge den Herrn fand, fragte sie ihn, wie er hierher gekommen ist (Johannes 6,25). Die Antwort des Herrn beginnt mit Vers 26 und endet mit Vers 58. In Vers 59 des 6. Kapitels heißt es dann: Dieses sprach er in der Synagoge in Kapernaum!

    4) Zu all dem wird uns auch in Johannes 6,21 berichtet: „…und alsbald war das Schiff an dem Lande, zu welchem sie hinfuhren“, nachdem uns ein paar Verse zuvor mitgeteilt wird, dass sie nach Kapernaum fuhren (Johannes 6,17).

    Nun zur Frage a) Wie hieß das Ziel ihrer Überfahrt?

    Wenn wir Markus 6,45 lesen, so können wir eindeutig feststellen, dass der Herr ihnen als Ziel den jenseitigen Hafen Bethsaida angegeben hatte. Dort heißt es: „Und alsbald nötigte er seine Jünger, in das Schiff zu steigen und an das jenseitige Ufer nach Bethsaida vorauszufahren, während er die Volksmenge entlässt.“

    Johannes ist der einzige, der berichtet, dass sie nicht nach Bethsaida sondern nach Kapernaum fuhren (Johannes 6,17 a). Er fügt hinzu, dass es schon finster war, und Jesus noch nicht zu ihnen gekommen war (Johannes 6,17 b). Das bedeutet, dass sie ganz offensichtlich erwartet hatten, dass er auf irgendeine Weise zu ihnen auf das Schiff kommen würde. Als sie dann jemand auf dem Wasser wandeln sahen, und zwar nicht kommen sondern vorübergehen (Markus 6,48)! da dachten sie es wäre ein Gespenst und bekamen Panik.

    Kann es sein, dass sie es aufgrund der gefährlichen Wetterlage, des starken Windes und der Seenot, in die sie geraten waren, für besser hielten Kapernaum anzusteuern als Bethsaida?

    Kann es sein, dass der Herr auf dem Wasser wandelnd vorüberging (Markus 6,48), um sie a) daran zu erinnern, dass das Ziel Betsaida war, und nicht Kapernaum? und b) um ihnen zu zeigen, dass er auch Herr über diese Gewalten ist, denen sie sich nicht gewachsen fühlten, und ihnen keinen Auftrag erteilte, für dessen Ausführung er nicht zugleich sorgen könnte und wollte?

    Ist es ein Zufall, dass in Johannes 6,21 steht: „…und alsbald war das Schiff an dem Lande, zu welchem sie fuhren“. Für „fuhren“ wird hier nicht das griechische Wort pleo oder erchomai gebraucht, sondern hypago, das man auch mit „sich entziehen“, „zurückziehen“ übersetzen kann.

    Aus diesen Gründen denke ich, dass die Jünger für sich selbst beschlossen hatten aufgrund der gefährlichen, schwierigen Lage, Kapernaum anzusteuern, und auch dort gelandet sind. Nach dem Gespräch mit den Volksmengen in der Synagoge, waren sie offensichtlich hinübergefahren nach Bethsaida im Lande Genezareth. Deshalb der Hinweis des Matthäus und Merkus: „Und als sie hinübergefahren waren kamen sie in das Land Genezareth“ (Matthäus 14,34; Markus 6,53).

    Was sagt uns das ganz praktisch?

    Ist es nicht so, dass der Herr uns oft einen Weg weist auf dem wir Gegenwind bekommen und in Not geraten? Wir erwarten die Gegenwart des Herrn, aber er kommt scheinbar nicht. Wir brechen ab und steuern auf den nächsten Hafen zu, der uns Schutz zu versprechen scheint. Was wir dann sehen und erleben, macht uns nur noch mehr Angst, obwohl es ein Wink ist, um uns auf den rechten Kurs zu bringen! Wir denken, der Herr geht an uns vorüber, weil wir innerlich schon aufgegeben haben und uns nicht als wert erachten, dass der Herr in unser Schiff steigt. In Wahrheit wirbt der Herr darum, dass wir ihm dorthin folgen, wohin er uns gesandt hat. Er zeigt uns, dass er der Herr all dieser Gewalten ist, vor denen wir kapituliert haben, und dass wir das Ziel dennoch erreichen können, wenn wir ihm folgen!

    Wie wunderbar ist es, dass Matthäus in dieser Situation den Fokus auf einen Mann lenkt, der das Schiff verlassen möchte, um sich statt dem Ausweichhafen dem Herrn zu nähern! Wir lernen aus dieser Begebenheit, dass wir trotz aller Schwierigkeiten nicht den Kurs ändern und uns in Sicherheit bringen müssen. Derjenige, der uns gesandt hat, ist auch derjenige, der für unsere Sicherheit sorgt. Auf ihn lasst uns sehen, wenn wir nicht sinken oder woanders anlegen möchten!

    Kurt Becker

  2. Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort und den Kommentar. Wieder hat sich herausgestellt, dass sich bei genauerem Hinschauen bzw. Studieren der Hl. Schrift scheinbare Unstimmigkeiten oder Widersprüche auflösen. Ich bin sehr ermutigt z.B. Evangeliumsberichte zu vergleichen und Hintergrundinformationen mit einzubeziehen. Darüber hinaus freue ich mich über die Möglichkeit mit Hilfe dieses Blogs Fragen zu stellen, wo ich – auf Deutsch gesagt – anstehe.

    Nochmals herzlichen Dank und liebe Grüße

    Dieter Radl


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