Hiskia – Sieg oder Niederlage?

Frage: Als ich die Berichte über das Leben und Wirken des Königs Hiskia gelesen habe, stieß ich auf 2.Kön.18,13-16 bzw. 2.Chron.32,1-8. Wie passen diese beiden Abschnitte zusammen? Während im ersten ein Versagen Hiskias überliefert wird, spricht der zweite Bericht von seinem großen Glauben. Wenn beides passierte, in welcher Reihenfolge?

Antwort: Wie in der Frage schon richtig vermutet, ist beides passiert. Die Reihenfolge kann man zunächst aus den Abweichungen der beiden Berichte erkennen.

Zuvor aber ein kurzer Überblick über die Ereignisse in den zitierten Abschnitten:

2.Könige 18 berichtet in dem genannten Abschnitt (18,13-16) folgende drei Begebenheiten:

– Assyriens Angriff und Einnahme aller festen Städte Judas im 14. Regierungsjahr Hiskias
– Kapitulation Hiskias und Bereitschaftserklärung zur Tributzahlung
– Bezahlung des geforderten Tributs mit Staatsmitteln und den Schätzen des Hauses Gottes

2.Chronika 32 erwähnt in dem genannten Abschnitt (32,1-8) nicht die Kapitulation, sondern den Widerstand:

– Assyriens Angriff nach der Reformation Hiskias
– Verstopfung aller Wasserquellen und des Baches außerhalb der Stadt
– Restaurierungs- und Ergänzungsarbeiten an der Stadtmauer
– Aufstockung des Waffenarsenals
– Heer in Bereitschaft versetzt und im Hinblick auf Gottes Beistand ermutigt

So ergibt sich für den Leser die Frage: Endete der Widerstand in der Kapitulation, oder Erfolgte der Widerstand nach einer anfänglichen Kapitulation?

Die Antwort lautet: Weder noch! Die Kapitulation fand in einem schwachen Augenblick Hiskias statt, mitten im Widerstand, und kostete ihm einen hohen Tribut! Dennoch sorgte der Herr dafür, dass die Begebenheit nicht mit einer Niederlage sondern mit dem Sieg endete, den Gott selbst bewirkte.

Nachfolgend die Aufschlüsselung:

Abweichung 1:
Der unterschiedliche Bericht bezüglich der Eroberung der Städte lässt schließen, dass die Ereignisse in 2.Könige 18,13 ff nach den Ereignissen in 2.Chronika 32,1-8 stattfanden.

Begründung:
In 2.Chronika (32,1) wird gesagt, dass die Assyrer sich wider die festen Städte Judas lagerten, und der König Assyriens sie zu erobern gedachte.

In 2. Könige (18,13) wird uns hingegen mitgeteilt, dass er bereits alle festen Städte Judas einnahm (ausgenommen Jerusalem).

Abweichung 2:
Die Erwähnung Lachis, im Zusammenhang mit dem Assyrerkönig und den Gesandtschaften beider Könige, lässt ebenfalls schließen, dass die Ereignisse in 2.Könige 18,13 ff nach den Ereignissen in 2.Chronika 32,1-8 stattgefunden haben.

Begründung:
In 2.Chronika heißt es, dass der König von Assyrien eine Gesandtschaft nach Jerusalem sandte, als er und seine ganze Heeresmacht noch vor Lachis waren (2Chr 32,9).

Aus 2.Könige (18,14) ist ersichtlich, dass der König von Assyrien und sein Heer bereits in Lachis gewesen sein mussten, denn Hiskia sandte seine Gesandtschaft zu dem König von Assyrien nach Lachis.

Daraus ergibt sich der Sachverhalt, dass 2Chr 32,1 (und zwar bis Vers 16), vor den Ereignissen stattfanden, die in 2.Könige 18,13 geschildert werden (und zwar bis 19,14).

Nachfolgend eine Liste der Ereignisse in chronologischer Abfolge, wie sie offensichtlich stattgefunden haben:

2.Chr 32,1 „nach diesen Dingen“ bezieht sich auf die Reformation Hiskias (Kapitel 29-31)
2.Chr 32,2-8 Vorbereitungen Hiskias zum Widerstand gegen das anrückende assyrische Heer
2.Chr 32,9 „nach diesem“ bezieht sich auf die Vorbereitungen Hiskias zum Widerstand (V.2-8)
2.Chr 32,9-16 Gesandschaft Sanheribs nach Jerusalem, versucht vergeblich Hiskia zur Kapitulation zu bewegen
2.Kön 18,13 Einnahme der festen Städte, ausgenommen Jerusalem
2.Kön 18,14-16 Hiskia kapituliert und sendet eine Gesandtschaft nach Lachis; er akzeptiert die Zahlung eines Tributs
2.Kön 18,17-37 Ungeachtet der Zahlung: Erneute Gesandtschaft Sanheribs nach Jerusalem (Rabsake und s. Begleiter)
2.Kön 19,1 Hiskia zerreißt seine Kleider und hüllt sich in Sacktuch
2.Kön 19,2-5 Hiskia wendet sich an Jesaja
2.Kön 19,6-7 Die Antwort Jesajas an Hiskia lautet: Fürchte dich nicht, ich will…
2.Kön 19,8 Der Rabsake und seine Begleiter kehren zu Sanherib zurück
2.Kön 19,9-14 Erneute Sendung eines Boten aus dem assyrischen Lager (Brief)
2.Chr 32,17-19 Der Bote und seine Begleiter übergeben den Brief und verhöhnen den Herrn
2Kön 19,15-19 Gebet Hiskias, während er den Brief vor dem Herrn ausbreitet
2Chr 32,20 Gebet Hiskias und Jesajas, angesichts der Verhöhnung und Bedrohung
2Kön 19,20-37 Jesaja teilt Hiskia die Antwort des Herrn auf sein Gebet mit
2Chr 32,21-22 Die Rettung des Herrn, der die Assyrer zum Rückzug zwingt

Jesaja berichtet in den Kapiteln 36 und 37 ausführlich von den Ereignissen, ab dem Zeitpunkt als der assyrische König den Rabsaken und seine Begleiter schickte (2Kön 18,17 ff).

Darin verborgene, praktische Anwendungen für unser Leben in der Nachfolge:

– Treue gegenüber dem Herrn schützt nicht vor Angriffen, sondern ruft diese oftmals erst hervor
– Trotz aller Vorkehrungen und festem Glauben, neigen wir dazu aufzugeben wenn es „eng wird“
– solche schwachen Augenblicke fordern meist einen hohen Tribut
– der Feind will dann nicht nur den Tribut, er will unsere Kapitulation
– Buße, Gebet und Gottes Wort führen zu Gottes Weisung und geben Standhaftigkeit
– alleine der Herr schenkt den Sieg
– das Volk lässt Hiskia nicht fallen, sondern macht den erlittenen Verlust wieder wett (2Chr 32,23)

Kurt Becker

3 thoughts on “Hiskia – Sieg oder Niederlage?

  1. Herzlichen Dank für die hilfreiche und gut recherchierte Beantwortung meiner Frage. Das ermutigt zum genauen Studium des Wortes Gottes, besonders wenn Ereignisse mehrfach und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden, die dann wie ein Puzzle ein Gesamtbild ergeben. In Bezug auf König Hiskia bleibt mir noch eine Frage: Wie ist Hiskias Krankheit und Genesung (2.Kö.20,1-7 und 2. Chron.32,24) chronologisch einzuordnen? 2.Kön.20,6b „Aus der Hand des Königs von Assur will ich dich und diese Stadt retten; …“ würde nahelegen, dass seine Erkrankung in die Zeit der Belagerung fällt (siehe auch Wolfgang Bühne in „fest & treu“ Ausgabe 2011/3).

  2. Hiskia regierte insgesamt 29 Jahre (2Könige 18,2).
    Da er nach seiner Krankheit noch 15 Jahre lebte (2Chronika 25,25; 2Könige 20,6; Jesaja 38,5), war der Zeitpunkt seiner Krankheit das 14. Regierungsjahr. Das ist das Jahr, in dem die Assyrer gegen ihn heraufgezogen waren (2.Könige 18,13; Jesaja 36,1).

    Es ist jedoch schwierig festzustellen, ob seine Krankheit und die damit im Zusammenhang stehenden Ereignisse im 14. Jahr unmittelbar vor der Belagerung, oder aber während der Belagerung der Assyrer stattfand.

    Sieht man in der Todesnachricht eine Züchtigung Gottes für Hiskias Versagen, so neigt man dazu, seine Krankheit im 14. Regierungsjahr während der Belagerung einzuordnen.

    Liest man jedoch sein Gebet (2.Könige 20,3; Jesaja 38,3), indem er mit keiner Silbe ein Versagen vor dem Herrn erwähnt, so muss man annehmen, dass seine Krankheit sich im 14. Regierungsjahr vor seinem Versagen und somit auch unmittelbar vor der Belagerung ereignete. 1.Könige 20,6 spricht nicht dagegen, sondern könnte auch eine Verheißung gewesen sein, die Hiskia ermunterte, sich nach seiner Krankheit von dem assyrischen Joch zu befreien und keine weiteren Tributzahlungen mehr zu leisten. Grund genug für Assyrien, um daraufhin (ebenfalls im 14. Jahr – siehe 2.Könige 18,13) in den Städten Judas einzufallen.

    Doch wenn die Krankheit und die Ankündigung seines Todes sich vor seinem Versagen ereignete, in einer Zeit, wo er Gott mit ganzer Hingabe diente, weshalb sollte er dann so plötzlich sterben? Für manche vielleicht eine unbegreifliche Sache, dass ein Mann, der sagen konnte „Ach, Herr, gedenke doch, dass ich in Wahrheit und mit ungeteiltem Herzen vor deinem Angesicht gewandelt, und getan habe was gut ist in deinen Augen“ (2.Könige 20,3), dass ein solcher in der Blüte seine Lebens abgerufen wird. Doch ist das nicht genau das, was wir im Leben unseres Herrn sehen, der den ganzen Willen Gottes tat und doch in „der Hälfte seiner Tage“ „abgeschnitten“ wurde „aus dem Land der Lebendigen“? (Psalm 102,24[25]; Jesaja 53,8).

  3. Da ich sicher bin, dass Du die Bibelstellen sehr gut kennst, habe ich nur einen Schreibfehler gefunden: 2 Chroni 25,25; wahrscheinlich 32,25.
    LG Rudi


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