Sabbat oder Sonntag
Frage: Warum feiern Christen nicht den Sabbat, sondern den Sonntag?
Antwort: Gern will ich versuchen, zu erklären, warum wir heute nicht den Sabbat halten, sondern Sonntag der christliche „Ruhetag“ ist. Zum Sabbat gab es ein ausdrückliches Gebot (eins der Gebote der 10 Gebote), zum Sonntag suchen wir tatsächlich vergeblich nach einer Anweisung im Neuen Testament. Ist es also in unser Belieben gestellt, den Sonntag oder den Sabbat zu feiern?
Der Sabbat
Wer die Bedeutung eines Begriffes in der Bibel studiert, tut gut daran, sich die Stelle(n) sorgfältig anzusehen, wo der Begriff oder der entsprechende Sachverhalt zum ersten Mal erwähnt wird. So lesen wir in 1.Mose 2,1–3: „So wurden vollendet der Himmel und die Erde und all ihr Heer. Und Gott hatte am siebten Tag sein Werk vollendet, das er gemacht hatte; und er ruhte am siebten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte, indem er es machte.“ Das hebr. Wort für „ruhte“ ist shabath. Der siebte Tag war also ein Tag, an dem Gott ruhte. Später bekam dieser siebte Tag den Namen Sabbat (2Mo 16,23).
Der Sabbat gehört zur ersten Schöpfung
Der Sabbat als Tag der Ruhe steht in Verbindung mit der ersten, der alten Schöpfung Gottes. Unter „erste Schöpfung“ verstehen wir hier die Erschaffung von Himmel und Erde, wie sie in 1.Mose 1,1– 2,3 beschrieben ist. Den Abschluss bildete der siebte Tag, ein Tag der Ruhe, ein Sabbat. Nach dem Sündenfall lesen wir dann lange überhaupt nichts mehr von einem Ruhetag, und zwar während einer Zeit von 2500 Jahren. Wir finden solch einen Ruhetag erst wieder in 2.Mose 16, nachdem Gott das Volk Israel aus Ägypten erlöst hatte. Gott ließ ihm durch Mose sagen: „Morgen ist Ruhe, ein heiliger Sabbat dem HERRN“ (V. 23).
Warum ist in der Zeit von 1.Mose 3 bis 2.Mose 15 gar nicht von einem Ruhetag die Rede? Nachdem die Sünde in die Welt gekommen war, konnte Gott nicht ruhen, und auch für den Menschen gab es keine Ruhe. Die Sünde stand zwischen Gott und dem Menschen. Erst als Gott das Volk Israel aus Ägypten befreit hatte – sie waren unter dem Schutz des Blutes des Passahlammes – und sie durch das Rote Meer gezogen waren, gab Er ihnen den Sabbat. In den zehn Geboten ist der Sabbat ausdrücklich verankert (2Mo 20,8–11). Missachteten sie diesen Tag, würden sie streng bestraft werden. Es war absolut verboten, am Sabbat irgendeine Arbeit zu verrichten – es war nicht einmal erlaubt, ein Feuer anzuzünden; darauf stand die Todesstrafe (2Mo 35,1–3).Vorbildlich lernen wir aus der Befreiung des Volkes Israel, wie Gott durch den Tod Jesu Christi Menschen aus der Macht der Sünde befreit (Passahlamm).
Erst die Arbeit, dann die Ruhe
Ein Grundsatz in der ersten Schöpfung ist: sechs Tage arbeiten und am siebten Tag ruhen. Das ist grundsätzlich so in allem Handeln Gottes mit dem Menschen vor dem Kommen Christi. Sehr deutlich ist die Sache in 3.Mose 18,5 auf den Punkt gebracht: „Und meine Satzungen und meine Rechte sollt ihr halten, durch die der Mensch, wenn er sie tut, leben wird. Ich bin der HERR“. Hier heißt es also: Zuerst das Tun und dann das Leben. Man muss Werke tun, um das Leben zu erlangen. Die Reihenfolge ist: Werke _ Leben; Arbeit _ Ruhe.
Auf diesem Weg hat allerdings niemand Errettung erfahren. Das Alte Testament ist voll von Beweisen, dass kein Mensch das Gesetz gehalten hat. Gott wusste schon vorher, wie verdorben der Mensch war, aber Er wollte, dass der Mensch das auch erkannte. Deshalb gab Er vor 3500 Jahren das Gesetz. Natürlich gab es zur Zeit des Alten Testaments Gerechte. Sie wurden aber nicht gerechtfertigt, weil sie etwa das Gesetz gehalten hätten, sondern weil sie Gott glaubten (vgl. Abraham in 1.Mose 15,6). Gott hat ihnen das Heil im Vorausschauen auf das Werk Jesu Christi zugerechnet (Römer 3,25).
Eine neue Ordnung
Dann kam der große Wendepunkt im Handeln Gottes mit dem Menschen. Gott sandte seinen Sohn. Jesus Christus erfüllte das Gesetz vollkommen. Die Menschen hassten Ihn und schlugen Ihn an das Kreuz. Dabei achteten sie sorgfältig darauf, dass Er nicht am Sabbat am Kreuz hing, sondern vorher begraben wurde (Johannes 19,31). Es ist sehr bedeutsam, dass der Sohn Gottes am Sabbat im Grab lag. Was für ein Widerspruch! Sie töteten den Sohn Gottes, hielten aber den Sabbat! Als die religiösen Führer des Volkes Jesus vor Pilatus verklagten, wollten sie nicht den „ungeweihten“ Ort des Prätoriums (römischer Palast des Pilatus) betreten, damit sie sich nicht verunreinigten, sondern das Passah essen könnten (Johannes 18,28). Außerdem standen sie im Begriff, den Sabbat zu feiern. Was für eine bösartige Verschlagenheit und Heuchelei.
Mit dem Tod des Sohnes Gottes begann eine völlig neue Ordnung. Menschen, die durch den Glauben an Jesus Christus errettet werden, gehören nicht mehr zu alten Schöpfung, sondern zu einer neuen: „Daher, wenn jemand in Christus Jesus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2.Korinther 5,17). Wenn heute ein Mensch zum Glauben kommt, gehört er weder zum Volk Israel noch zu den Heiden, sondern zur Versammlung Gottes. Diese Menschen sind nicht aufgrund eigener Werke errettet, sondern allein aus Gnade.
Die Auferstehung Christi am ersten Tag einer neuen Woche
Das neue Zeitalter, die Zeit der Gnade, wurde dadurch eingeleitet, dass der Sohn Gottes, der Sieger von Golgatha, am ersten Tag einer neuen Woche auferstand. Wie können wir da noch weiter den Sabbat feiern? An keiner Stelle des Neuen Testaments finden wir eine Aufforderung oder nur den geringsten Hinweis, dass Christen den Sabbat feiern müssten. Andererseits gibt es auch kein Sonntagsgebot. Das stünde im Gegensatz zu den neuen Grundsätzen des Christentums. Christen bekommen durch den Glauben an Christus neues, ewiges Leben. So haben sie teil an der „Ruhe“ Gottes. Sie ruhen in dem vollbrachten Werk ihres Herrn und Heilandes. Die neue Reihenfolge ist jetzt: Ruhe _ Arbeit; Leben _ Werke. Oft werden wir im Neuen Testament zu guten Werken aufgefordert, doch an keiner Stelle heißt es, dass wir dadurch das Heil erlangen, im Gegenteil, es heißt in Epheser 2,8.9, dass wir nicht aus Werken, sondern aus Gnade errettet sind. Die Werke eines Christen zeigen das
Vorhandensein des neuen Lebens.
An erster Stelle steht die Ruhe, und dann folgt die sechstägige Arbeit für den Herrn. Aus der Ruhe und dem Frieden des Herzens heraus dienen wir Gott. Darum feiern wir den Sonntag als den ersten Tag einer neuen Woche. Uns ist es allerdings nicht verboten, an diesem Tag zu arbeiten. Wie viele Christen dienen Gott mit Freuden in medizinischen Berufen oder in der Mission oder im Werk des Herrn. Ein Christ wird dennoch bemüht sein, das Zusammenkommen nicht zu versäumen (Hebräer 10,25). Eine „gesetzliche“ Handhabung des Sonntags entspricht nicht dem Charakter des Christentums.
Gesetz und Gnade
Wer also darauf besteht, dass der Sabbat gehalten werden muss, lebt 3500 bis 2000 Jahre zu spät. Er will etwas von der alten „Haushaltung“ des Gesetzes herüberretten. Das ist aber eine Vermischung von Gnade und Gesetz, vor der der Apostel Paulus im Brief an die Galater so eindringlich warnt. In Galater 3,11.12 zeigt er, dass der alte Grundsatz aus 3.Mose 18,5, „Wer diese Dinge getan hat, wird durch sie leben“, nicht mehr gilt, sondern dass der Gerechte aus Glauben lebt. Wer das Christentum in die alte Form des Gesetzes hineinpressen will, zerstört beides. Deshalb gebraucht der Herr Jesus in Matthäus 9,14–17 zwei Vergleiche: Wer Gesetz und Gnade vermischt, setzt einen neuen Flicken (Gnade) auf ein altes Kleid (Gesetz). Das Eingesetzte reißt ab, und der Schaden wird größer als zuvor. Wer neuen Wein (Gnade) in alte Schläuche (Gesetz) tut, verdirbt ebenfalls beides. Die Tatsache, dass wir als Christen nicht den Sabbat halten, ist keine theologische Spitzfindigkeit, sondern es geht dabei um die wichtigen Grundsätze von Gnade und Gesetz. Christus hat uns freigekauft vom Fluch des Gesetzes und auch vom Halten des Sabbats. Wer den Sabbat hält, stellt sich prinzipiell wieder unter das Gesetz mit allen entsprechenden Folgen. Er kehrt zum Grundsatz der Gerechtigkeit aus Werken zurück und glaubt, durch eigenes Tun Gott wohlgefällig zu sein.
Der erste Tag einer neuen Woche im Neuen Testament
Aus Apostelgeschichte 20,7 können wir folgern, dass es üblich war, am ersten Tag der Woche zusammenzukommen, um das Brot zu brechen, also Gottesdienst zu halten. In Offenbarung 1,10 ist die Rede davon, dass Johannes an des „Herrn Tag“, den dem Tag, der dem Herrn gehörte, im Geist war. Diese Bezeichnung weist ebenfalls auf den Sonntag hin. Johannes suchte an diesem Tag in der Verbannung in besonderer Weise Gemeinschaft mit dem Herrn. Er konnte sich nicht mit anderen Gläubigen versammeln, weil er dort allein war. Das Brotbrechen war ein wichtiger Bestandteil des geistlichen Lebens der ersten Christen, wie wir aus Apostelgeschichte 2,42 erfahren: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.“ Einige Verse danach heißt es sogar: „Und während sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Schlichtheit des Herzens“ (V. 46). Offensichtlich war den Gläubigen in Jerusalem zu Anfang der Wunsch des Herrn, an Ihn zu denken, so wichtig, dass sie das Mahl des Herrn jeden Tag feierten. Das geschah in der ersten Frische und Freude über das erfahrene Heil. Wenn wir es nun heute nicht mehr täglich tun, sollte es uns dann nicht ein echtes Bedürfnis sein, dem Wunsch des Herrn wenigstens einmal in der Woche zu entsprechen? Der Herr lädt uns ein, zusammen mit anderen an sein Werk auf dem Kreuz zu denken, Ihn dafür zu preisen und auch seinen Vater anzubeten. Ist es nicht ein großes Vorrecht, dies jede Woche tun zu dürfen, ja gleichsam eine neue Woche damit zu beginnen?
Werner Mücher